„Eine Win-Win-Situation für beide Seiten“ – Interview mit Steffen von Blumröder

Fintechs

Das nachfolgende Interview erschien zuerst auf P2P Investment.

Steffen von Blumröder (42) ist diplomierter Betriebswirt und hält einen MBA in Unternehmensführung und Wirtschaftsethik. Von Blumröder war lange Jahre bei den amerikanischen Unternehmen Oracle und CSC tätig, bevor er im Juli 2012 beim Bitkom die Bereichsleitung Banking, Financial Services und Fintechs übernahm. Er hat dort eine Dialogplattform für Banken und Fintechs aufgebaut und setzt sich für innovationsfreundliche digitale Rahmenbedingungen ein. Er ist Speaker zur Digitalisierung des Finanzsektors und mehrfaches Jurymitglied bei Fintech-Pitch-Wettbewerben. Von Blumröder berät junge Unternehmen bei Themen wie Government Relations, Regulation und strategischen Partnerschaften und verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Digitalisierung von Dienstleistungsbranchen. Mit P2P Investment sprach er über die Zukunft der P2P-Kredite.

„Fintechs spielen eine enorme Rolle“

Lieber Herr von Blumröder, Fintechs sind in aller Munde. Eine große Welle der Veränderungen rollt auf die Finanzbranche zu. So scheint es zumindest. Wie sehen Sie als gut vernetzter Experte des Bitkom die Rolle all dieser neuen Startups?

Ich versuche das Thema grundsätzlich aus einer ganzheitlichen Brille zu betrachten, sprich mir geht es um den digitalen Finanzmarkt in Deutschland. Ich glaube man muss da immer die gesamte Wertschöpfung betrachten. Natürlich spielen viele Startups mit Ihrer Geschwindigkeit in der Produktentwicklung, mit dem Kundenfokus, aber auch mit dem Enthusiasmus neue digitale Wege zu gehen, eine enorme Rolle. Aber es gibt eben nicht nur endkundengetriebene B2C-Modelle, sondern immer mehr B2B Fintechs die in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen werden. Fintechs haben sich heute im Markt etabliert und spielen eine zentrale Rolle in der digitalen Wertschöpfung.

Interessant. Welche Funktionen übernehmen die B2B Fintechs? Können Sie das anhand eines Beispiels erläutern?

Da gibt es ja alle möglichen Beispiele. Eine Foto-Rechnung ist eine White-Label Lösung bei der das Fintech gar nicht im Vordergrund auftaucht, das gleiche gilt auch für Kontowechsel-Dienste. Anders bei P2P-Überweisungen, die in Kooperation durchgeführt werden. Wieder andere bieten Schnittstellen an, damit über das Online-Konto neue Dienstleistungen wie zum Beispiel Bonitätsprüfungen durchgeführt werden können. Es gibt ja auch Banken, die ein P2P-Kreditplattform-White-Label einkaufen und das dann unter Ihrem Namen durchführen, gleiches gilt für neue Anlageformen wie Robo Advising. Die Liste kann so weitergeführt werden.

„P2P-Kredite können die beste Lösung darstellen“

Die Geldanlage per P2P-Kredit ist ein besonders stark wachsender Sektor innerhalb der großen Fintech-Szene. Wird das Kreditgeschäft im Internet zur ernsthaften Konkurrenz für die etablierten Geschäftsbanken?

Wenn man sich das Gesamtvolumen für Kreditgeschäfte anguckt, dann decken P2P-Kredite aktuell noch einen kleinen Teil ab, aber es ist ein stetig wachsendes Segment. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Volumen weiter wächst und für bestimmte Kreditangebote die beste Lösung darstellen wird. Ich sehe aber auch Synergien zwischen traditionellen Anbietern, die einen Kredit nicht gewähren – warum auch immer – und diesen dann an eine P2P-Plattform weitergeben. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Worin besteht der Vorteil für eine Bank, wenn Sie eine Kreditanfrage an eine P2P Investment-Plattform weiterreicht?

Eine Bank gibt die Kreditanfrage weiter, wenn ihr das Risiko zu hoch, das Volumen zu niedrig beziehungsweise die internen Kosten zu hoch sind. Über ihre Erlösmodelle haben sich die Unternehmen mir gegenüber nicht im Detail geäußert, aber ich denke, dass es eine Art Vermittlungsprovision geben könnte.

Woran krankt die P2P Investment-Branche aus Ihrer Sicht momentan noch?

Wie in anderen Bereichen hängt dies viel mit der Offenheit des Endkunden für neue Finanzdienstleistungen zusammen. Deutsche sind da eher zurückhaltend. Ich arbeite gerade an einem Fintech-Kodex, um das Vertrauen in diese neuen Dienste nachhaltig zu stärken und Aufklärung zu betreiben.

Können Sie schon Konkretes zum Inhalt des Kodexes berichten? Und wie sieht hier die Kooperation mit den Fintechs aus?

Über die konkreten Inhalte kann ich aktuell nichts sagen, da wir hier noch im internen Abstimmungsprozess sind, aber klar ist doch, dass hier Regeln definiert werden müssen, die das Vertrauen des Verbrauchers erhöhen. Die Fintechs bringen sich mit entsprechenden Ideen und Details ein. Ich schreibe das also nicht im stillen Kämmerlein, sondern hole mir immer wieder Feedback ein. Daher kann sowas auch ein paar Monate dauern, bis alle mit dem Ergebnis zufrieden sind. Am Ende sollen die Fintechs das ja auch als „Gütesiegel“ für Ihre Arbeit offensiv bewerben.

Noch sind Plattformen wie auxmoney, Funding Circle und Lendico gesetzlich zur Zusammenarbeit mit Banken verpflichtet. Ist dies ein Hemmschuh?

Hemmschuh würde ich jetzt nicht per se sagen. Der Finanzmarkt ist eben ein stark regulierter Markt. Da hilft die Zusammenarbeit mit einer Bank. Allerdings sind die Anforderungen an bestimmte Lizenzen in den einzelnen EU-Staaten recht unterschiedlich geregelt. In dem einen Land benötigt man eine Partnerbank, in dem anderen nicht. Das kann dann auch dazu führen, dass man sich in anderen Märkten leichter tut.

Kann ein P2P-Kredit aus Ihrer Sicht langfristig eine ernsthafte Alternative für Privatanleger werden?

Wenn der P2P-Kredit dem Verbraucher mehr Nutzen stiftet als ein „herkömmlicher“ Kredit, dann wird er diesen auch in Erwägung ziehen. Letztlich hängt das immer davon ab, wie meine Alternativen aussehen. Das kann bedeuten, dass er günstiger, schneller abzuschließen oder besser zu managen ist.

Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe an Endverbrauchern, die von Ihrer Hausbank aufgrund der zugrundeliegenden Bonität im Normalfall keinen Kredit bekommen und daher auf P2P-Kredite angewiesen sind. Dadurch bedienen die Plattformen Verbraucher, die komplett außen vor bleiben würden. In anderen Ländern hat dies natürlich eine deutlich höhere Bedeutung, weil die Bankeninfrastruktur eine andere ist und die Zahl der Personen ohne Bankverbindung höher als in Europa ist.

„P2P Investment-Plattformen schauen über den Tellerrand hinaus“

Ein bisschen Science-Fiction zum Abschluss: Was können wir von Fintechs und insbesondere von den P2P Investment-Plattformen in Zukunft noch erwarten?

Schwer zu sagen, da es ja noch ein relativ junger Markt ist. Was ich an den meisten Plattformen klasse finde, ist dass Sie grundsätzlich über ihren Tellerrand gucken. Da kann dann ganz schnell ein neues Produkt entstehen oder ein neuer Markt adressiert werden. Richtig spannend wird es natürlich, wenn irgendwann mal die Niedrigzinsphase vorbei ist.

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