EZB japanisiert uns mit kleinen Schritten

Ein Kommentar von Thorsten Polleit |

Die EZB schreitet unbeirrt voran, die Kaufkraft des Euro durch Niedrigzinsen und Geldmengenvermehrung zu schmälern.

Am 3. Dezember 2015 hat der EZB-Rat beschlossen, den Einlagenzins noch weiter abzusenken, und zwar auf –0,3 Prozent. Man wolle, so die offizielle Begründung, dadurch die Euro-Wirtschaft beleben. Vor allem sei das auch ein notwendiger Schritt, um die laufende Inflation wieder in Richtung der 2-Prozentmarke zu bringen. Doch können diese Argumente wirklich überzeugen?
Der EZB-Rat will den Zusammenbruch des Euro-Raums mit allen Mitteln abwenden. Doch Letztere sind knapp geworden. Im Grunde gibt es nur noch eines: das Anwerfen der elektronischen Notenpresse. Die EZB kauft bereits Euro-Staatsanleihen auf und bezahlt die Käufe mit neuem, „aus dem Nichts“ geschaffenem Geld. Es handelt sich dabei um nichts anderes als eine Inflationierungspolitik. Die Preiswirkung mag noch nicht offen zutage treten. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Es ist eine ökonomische Gesetzmäßigkeit, dass ein Ansteigen der Geldmenge die Kaufkraft des Geldes schmälert. Mit Käufen von Staatsanleihen wird nicht nur die Geldmenge vermehrt. Sie helfen auch, die Kapitalmarktzinsen herunterzudrücken. Ein negativer Einlagenzins hilft, ihre Talfahrt zu verstärken. Unmittelbar nach dem EZB-Zinsentscheid ging ein kräftiges Beben durch die Finanzmärkte: Der Euro wertete stark auf gegenüber dem US-Dollar, die Aktienkurse fielen stark, die Kapitalmarktzinsen stiegen.

Die Finanzmärkte hatten sich ganz offensichtlich „mehr“ von der EZB erhofft. Die Marktreaktion zeigte unmissverständlich, wie abhängig die Finanzmärkte von immer mehr Liquidität und immer niedrigeren Zinsen geworden sind. Doch auch wenn die EZB „hinter den Erwartungen“ zurückgeblieben ist, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EZB „auf Kurs“ ist: Sie verfolgt eine Politik der „kleinen Schritte“ und verabreicht die Niedrig- beziehungsweise Negativzinspolitik und die Geldmengenvermehrung in kleinen Dosen, nach und nach. „Unkonventionelle Politiken“ lassen sich so recht gut durchsetzen. Eine geldpolitische „Salamitaktik“ erschwert es der Öffentlichkeit, die negativen Effekte zu erkennen; und der einsetzende Gewöhnungseffekt schwächt den Widerstand, der sich ansonsten gegen die Politik regen würde.

Keine Rückkehr zur Normalität

Sparer und Investoren werden versuchen, den niedrigen beziehungsweise negativen Zinsen auszuweichen. Sie werden beispielsweise ihre Nachfrage nach Häusern und Aktien ausweiten. Auf diese Weise werden spekulative Preisblasen auf den Vermögensmärkten provoziert. Es kommt zu einer Fehllenkung von Kapital, die früher oder später erneut in eine Anpassungskrise führt. Verlässt Kapital den Euroraum, wertet der Euro-Außenwert ab. Die Bürger im Euroraum werden ärmer. Konsumenten müssen nun höhere Preise zahlen für den Erwerb von importierten Gütern wie zum Beispiel Energie und Software. Für Unternehmen aus dem Euroraum wird es teurer, beispielsweise im Ausland zu expandieren und Vermögen zu erwerben. Vor allem aber verhindert die EZB-Politik der Geldmengenvermehrung und der künstlich gesenkten Zinsen, dass die Volkswirtschaften im Euroraum auf einen „gesunden“, einen „natürlichen“ Wachstumspfad zurückkehren können. Die EZB befördert im Kern japanische Verhältnisse im Euroraum. Das Wirtschaftsgeschehen wird zusehends stagnativ, weil Ineffizienz und staatliche Misswirtschaft mit der EZB-Notenpresse subventioniert werden. Hinter all dem verbirgt sich das Bestreben des EZB-Rates, im Zuge vieler kleiner Schritte die Kaufkraft des Euro herabzusetzen. Die EZB-Räte wissen vermutlich, dass nur so, wenn überhaupt, der Euroraum zusammengehalten werden kann.

 

Bild: Pixabay

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